Bevölkerungszahlen (4)

Die Bevölkerungsangaben erfolgen für den Zeitraum vom 16. bis 18. Jahrhunderts über die Anzahl der Leistungseinheiten, ab der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts anhand der Pro-Kopf-Einwohnerzahlen zu bestimmten Stichjahren.

Für Gemeinden in der Oberlausitz mit mehr als fünf Prozent sorbischen Bevölkerungsanteils folgen Angaben über die Zahl der Sorben, wobei variierend Erhebungen für die Jahre 1880, 1885 und 1900 herangezogen wurden.

Sofern es die Quellenlage erlaubt, schließen sich statistische Aussagen zum religiösen Bekenntnis der ortsansässigen Bevölkerung in den Jahren 1834 und 1925 an. Für das Königreich Sachsen liegen hierzu Erhebungen im Rahmen der ersten amtlichen Volkszählung aus dem Jahre 1834 vor. Bei ihrer Interpretation ist zu beachten, dass die Zahl der Einwohner mit evangelisch-lutherischem Bekenntnis nicht als einzelne Ziffer erscheint, sondern sich nach Abzug der mit anderem Bekenntnis ausgewiesenen Personen aus der Bevölkerungszahl von 1834 ergibt. Zum Jahr 1925 sind Angaben sowohl für Sachsen als auch für Preußen überliefert; während allerdings die Zählungen für Orte im Freistaat Preußen durchgängig auf Gemeindeebene erfolgten, ist im Freistaat Sachsen als statistische Bezugsebene das Kirchspiel angesetzt worden, sodass sich mitunter Differenzen zur Einwohnerzahl der Gemeinde in diesem Jahr ergeben.

Die Anzahl der in den Orten lebenden Menschen lässt sich mit der ersten amtlichen Volkszählung in Sachsen 1834, in den ehemals preußischen Gebieten von 1816 bis 1825, fassen. Dabei handelt es sich durchweg um Kopfzahlen, mit denen die bürgerliche Gesellschaft mit Rücksicht auf ihren Grundsatz der Gleichheit jedem Menschen als Teil eines Ganzen den gleichen Wert beimisst. Für das 19. und 20. Jahrhundert konnten demzufolge die Einwohnerzahlen der regelmäßig veranstalteten Volkszählungen übernommen werden. Da die sächsische Zählung von 1910 die Ortsteile nicht mehr selbständig aufführte, hören bei ihnen die Einwohnerzahlen mit dem Jahre 1890 auf und es erhöht sich ab 1910 die Einwohnerzahl der übergeordneten politischen Gemeinde. In der ehemals preußischen Oberlausitz werden die Einwohnerzahlen von Ortsteilen nur für die Jahre 1825 oder 1843 angegeben.

Diese methodische Grundvoraussetzung der Volkszählungen gilt nicht für die älteren Epochen der Geschichte, in denen nicht der einzelne Mensch, sondern die aus mehreren Menschen bestehenden Leistungseinheiten der Agrargesellschaft von Interesse waren. Dieser Grundsatz galt auch für den städtisch-bürgerlichen Bereich, in dem es auf das Haus, die Familie, das kaufmännische Unternehmen und den Handwerksbetrieb ankam. Mit Rücksicht auf diese gesellschaftliche Struktur bestand für die Obrigkeiten kein Interesse an der Kenntnis über Kopfzahlen, sondern nur über die Anzahl der Leistungseinheiten, die für ein Dorf, eine Stadt, eine Grundherrschaft oder ein Land zur Verfügung standen. Deshalb wurden die Häuser, die Familiengemeinschaften, die Haushalte mit dem Haushaltsvorstand an der Spitze und die Ansässigen im Sinne von Haus- und Grundbesitzern gezählt, nicht aber die jeweils dazugehörenden Mitglieder. Bei diesen statistischen Erhebungen der älteren Zeit spielte es keine Rolle, wie viele Personen auf dem Grundstück lebten. Gezählt wurde der „besessene Mann“, der als „ansässiger Mensch“ und verantwortlicher Besitzer von Haus und Hof für das Funktionieren der dörflichen oder städtischen Gruppe geradestand.

Auf der Grundlage dieses nach Methode und Mentalität völlig unterschiedlich zustande gekommenen Zahlenmaterials muss versucht werden, vergleichbare Werte zu erlangen, die Verschiedenartigkeit zwischen der „vorstatistischen“ und der exakt statistischen Zeit zu überbrücken und dadurch die für beide Epochen erlangten Ergebnisse miteinander in Beziehung zu setzen.

Um das zu erreichen, braucht man einen Faktor, mit dem sich ältere Leistungseinheiten in Kopfzahlen umrechnen lassen. In der Fachliteratur hat sich allgemein der Wert 5 als durchschnittliche Kopfzahl einer Familie herausgebildet. Das mag überraschen, da man oft an hohe Kinderzahlen in Familien der Agrargesellschaft denkt, wird aber in zahlreichen überprüfbaren Fällen bestätigt, in denen Angaben über die Anzahl der Familien und der zugehörigen Personen vorliegen.

Diese Durchschnittszahl berücksichtigt auch bereits verstorbene Kinder und erwachsene Kinder, die das Elternhaus verlassen haben. Das Historische Ortsverzeichnis beschränkt sich bewusst darauf, quellenmäßig gesicherte Angaben und nicht aufbereitete Forschungsergebnisse zu präsentieren. Daher wurde die Umrechnung älteren vorstatistischen Zahlenmaterials in Kopfzahlen nicht vorgenommen und bleibt dem Benutzer überlassen, um den Quellenwert der veröffentlichten Zahlen nicht zu beeinträchtigen.

Die Angaben orientieren sich an der sozialen Differenzierung der Bevölkerung und enthalten neben quantitativen auch wichtige qualitative Unterschiede der älteren Sozialstruktur.

Auf dem Land ist der „besessene Mann“ der vollberechtigte bäuerliche Hufenbesitzer als Mitglied der Dorfgemeinde, dessen Erwerb und Beruf die Landwirtschaft ist.

Der Gärtner ist Hauseigentümer mit einer „Gartennahrung“ von geringer Größe, die nicht für einen selbständigen bäuerlichen Betrieb ausreicht. Er ist in der Regel nicht an Gemeindeverwaltung und Flurnutzung beteiligt, besitzt keinen Hufenbesitz und ist neben seiner kleinen Landwirtschaft auf eine andere gewerbliche oder sonstige Tätigkeit angewiesen.

Eine „Gartennahrung“ bezeichnet eine verfassungsrechtliche Besitzeinheit von Haus und landwirtschaftlich nutzbarem Grund, die unter „Gartenrecht“ stand, nicht zur verhuften Gemeindeflur gehörte und nichts mit dem heutigen Beruf des Gärtners zu tun hatte.

Der Häusler war nur Hauseigentümer ohne Feldbesitz. Er ernährte sich von Lohnarbeit oder einem gewerblichen Betrieb. Seine untergeordnete soziale Stellung schloss ihn von der Mitgliedschaft in der Dorfgemeinde aus.

Als Inwohner wird in Anlehnung an einen Begriff aus der schriftlichen Überlieferung die Gruppe der Hausgenossen (Einmieter), der Dienstboten (Knechte und Mägde) und gelegentlich auch der erwachsenen Kinder bezeichnet. Sie zählten nur als Einzelpersonen, verheiratete Inwohner treten in den Steuerverzeichnissen als Paar auf.

Da die Inwohnerzahlen, die nur in den Steuerregistern des 16. Jahrhunderts angegeben sind, nicht für alle Orte festgestellt werden konnten, werden auch „0 Inwohner“ dort angegeben, wo aus den Quellen einwandfrei hervorgeht, dass keine am Ort ansässig waren. Wo in einem Ortsartikel keine Inwohnerzahl steht, ist es zweifelhaft, ob diese Personengruppe vorhanden war oder nicht.

Bei dem Versuch, aus den überlieferten Angaben der älteren Zeit Kopfzahlen zu gewinnen, müssen auch die an einem Ort vorhandenen Pfarrhäuser, Rittergüter und Vorwerke mitberücksichtigt und für sie angemessene Durchschnittszahlen angesetzt werden.

Die Hufe ist das Maß für landwirtschaftlichen Grundbesitz, Nutzungsrechte an der Flur und Pflichtanteile an Gemeindelasten, etwa bei Einquartierungen. Ihre Größe ist landschaftlich sehr verschieden, wie die Größenangaben von 1764 zeigen. Eine Hufe Landes kann als das Normalmaß für die Arbeitsleistung einer bäuerlichen Familie und als deren ausreichende Lebensgrundlage angesehen werden.

Infolge der Agrarreform von 1832 verlor die Hufe ihre Bedeutung als Richtmaß innerhalb der bäuerlichen Gesellschaft, sie wurde von der als reines Flächenmaß angewandten Hektargröße ersetzt.

Die Hufenangaben lassen sich nur für das 18. Jahrhundert vollständig feststellen. Für das 16. Jahrhundert konnten sie nur für einen Teil der Orte erbracht werden, da das Quellenmaterial unvollständig ist.

In den größeren Städten, in denen der landwirtschaftliche Betrieb nur eine untergeordnete oder gar keine Rolle spielte, tritt an die Stelle von Größenangaben nach besessenen Mann, Gärtnern und Häuslern die Zahl der ansässigen Bürger, der Hausbesitzer oder der Feuerstellen.